Doch keine Kürzungen: 142,5 Millionen Euro vom Bund für Kinderbetreuung

Kopftuchverbot als Bedingung für Länder

720 Millionen in nächsten vier Jahren

Nach langem Gezerre haben sich Bund und Länder auf die Mittel für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung geeinigt. Der Bund stelle den Ländern 142,5 Millionen Euro zur Verfügung, teilte die Regierung am Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz mit.

Von den Ländern werden 38 Millionen Euro jährlich zur Verfügung gestellt, der Finanzierungsschlüssel wurde damit von 35 auf 52,5 Prozent erhöht. In Summe werden damit jährlich 180 Millionen in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert. Ursprünglich wollte der Bund den Ländern statt der bisherigen 140 nur noch 110 Millionen zur Verfügung stellen. Nach heftigen Protesten aus den Ländern bleibt es nun aber in etwa beim bisherigen Volumen.

Kein fertiges Papier bei Präsentation

Die Abmachung gelte für die nächsten vier Jahre, so Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die gemeinsam mit Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Pläne präsentierte. Ein fertiges Papier gab es bei der Verkündung in einem niederösterreichischen Kindergarten jedoch noch nicht.

Dass der Bund ebenso wie die Länder nun mehr als angenommen für den Kinderbetreuungsausbau zahlen muss, ist nach Angaben beider Seiten durchaus machbar. Man habe sich bei der Budgeterstellung bestimmte Spielräume einbehalten, sagte Kurz. Erfreulich sei, dass es nun mehr Geld von den Ländern gebe: „Das ist ein schöner Erfolg für die Kinder und alle Beteiligten. Wo das Geld genau herkommt, ist, glaube ich, für die Steuerzahler relativ egal.“

Auch Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) sieht die Einigung positiv. „Dass Familien zusätzlich unterstützt werden, halte ich für immens wichtig. Das neue Splitting zwischen Bund und Ländern, die ihren Beitrag genauso erhöhen, war ausschlaggebend, um am Ende nicht nur das Niveau zu halten, sondern jenes der Vorgängerregierung zu übertreffen“, so Löger zur APA. „Das leichte Plus vom Bund im Vergleich zu den erwartenden Ausgaben stellt kein Budgetrisiko dar.“

„Wertekatalog“ und Kopftuchverbot

Der Bund stellte für die Zusicherung Bedingungen: So soll es zu einem generellen Kopftuchverbot in Kindergärten kommen. Laut Strache soll dieses für „alle, auch islamische Kindergärten“, gelten. Auch ein „Wertekatalog“ soll eingeführt werden, womit die „Sicherung der Qualität“, so Kurz, in Kindergärten sichergestellt werden solle. Die Kriterien würden vom Bund festgelegt, die Länder könnten danach überprüfen und gegebenenfalls auch Sanktionen aussprechen.

Die Regierung richtet sich mit dem „Wertekatalog“ in erster Linie wohl gegen islamische Kindergärten. Strache sagte, er habe den Eindruck, dass „insbesondere in islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen“ die Qualität nicht gegeben sei. Der Katalog solle die Möglichkeit geben, „gegen solche Einrichtungen vorzugehen“ und sicherzustellen, dass es dafür keine Fördergelder gebe.

Strache sagte, Gesetze seien „dazu da, von Bürgern und von Strukturen“ eingehalten zu werden. Sollte das nicht der Fall sein, müsse man das Gespräch mit den Eltern suchen. Sollten sich Einrichtungen nicht daran halten, müssen man auch hier das Gespräch suchen. Über den Katalog werde vom Bund definiert, was vom Land sanktioniert werde, so Strache. Es sei jedenfalls „verpflichtend“, dass die Länder diese Punkte umsetzen.

Gratiskindergarten und Sprachförderung im Fokus

Auf Nachfrage sagte Bogner-Strauß, dass von dem zugesicherten Geld 70 Millionen Euro in das Gratiskindergartenjahr und „knapp über 30 Millionen“ für die Sprachförderung investiert werden sollen. Die „verbleibenden Millionen“ würden in den Ausbau der Betreuungseinrichtungen und die Flexibilisierung der Öffnungszeiten, die Erfüllung der Kriterien für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (VIF-Kriterien) und in die Ausbildung von Tageseltern investiert.

Pressekonferenz in niederösterreichischem Kindergarten

Kanzler Kurz, Vizekanzler Strache, Familienministerin Bogner-Strauß und Landeshauptfrau Mikl-Leitner traten am Freitag vor die Presse, um ihre Pläne zu präsentieren.

Bei den Öffnungszeiten sei das Ziel, so Bogner-Strauß, dass Einrichtungen mindestens 45 Wochenstunden und 47 Wochen im Jahr geöffnet haben. Jedes Jahr soll zumindest ein zusätzliches Prozent der Kindergärten das erfüllen, über die vier Jahre Laufzeit hätte man gerne ein Plus von insgesamt sechs Prozent.

Statt drei soll es in Hinkunft nur noch eine einzige 15a-Vereinbarung von Bund und Ländern geben. Dass die Vereinbarung nicht über einen „zu langen“ Zeitraum geschlossen wurde, sei für Bogner-Strauß „wichtig“ gewesen. So könne öfter der „Ist-Zustand“ abgerufen werden. In der Vergangenheit sei etwa sehr viel in den Ausbau bei der Betreuung für Drei- bis Sechsjährige investiert worden, jetzt liege der Fokus auf den unter Dreijährigen. Solche Investitionen müssten in regelmäßigen Abständen „neu evaluiert“ werden.

Eckpunkte „kurzfristig“ an Länder übermittelt

Kurz sagte, er „hoffe“, dass die Einigung „von allen mitgetragen“ werde. Viele Länder hätten bereits „klar kommuniziert“, dass sie mehr Geld zur Verfügung stellen wollen. Er gehe aufgrund positiver Rückmeldungen davon aus, dass alle Länder mitziehen. Mikl-Leitner ergänzte, dass man die Eckpunkte „kurzfristig“ an die Länder geschickt habe, der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Hans Niessl (SPÖ), habe „seine Zustimmung gegeben“ - unter „dem Vorbehalt“, dass er sich die Details der Vereinbarung genau anschauen werde.

Niessl kritisiert Informationspolitik

Niessl begrüßte auf Nachfrage der APA zwar, dass es keine Kürzungen geben soll. Allerdings kritisierte er gegenüber der APA die Informationspolitik der Bundesregierung. Der letzte Entwurf sei dem Büro erst am Donnerstag gegen 18.30 Uhr übermittelt worden - mehr dazu in burgenland.ORF.at. Auch aus Wien wird die Vorgehensweise der Regierung kritisiert. Die Länder hätten in ihrer Stellungnahme zum ersten Entwurf im Juli auf eine Reihe von problematischen Punkten hingewiesen und eine dringende Abstimmung zwischen Bund und Ländern gefordert. Das sei „eigentlich üblich“, befand der zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) - mehr dazu in wien.ORF.at.

Bogner-Strauß wies die Kritik der SPÖ-geführten Bundesländer im Ö1-Mittagsjournal zurück. Es habe in den letzten Wochen Stellungnahmen der Länder gegeben, denen entsprochen worden sei. „Es kann eigentlich kein Land etwas dagegen haben, dass es jetzt bessere Konditionen gibt“, so die Ministerin. In Sachen Kopftuchverbot im Kindergarten musste Bogner-Strauß einräumen, dass die Regierung nicht weiß, wie viele das überhaupt betrifft: „Es gibt hier keine validen Zahlen.“

ÖVP-Länder und Gemeindebund erfreut

Die ÖVP-geführten Länder Salzburg, Vorarlberg und Tirol sind zufrieden. Die Länderinteressen seien voll berücksichtigt worden, sämtliche Kritikpunkte ausgeräumt, sagte etwa der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Auch der Gemeindebund zeigte sich in einer Reaktion erfreut, dass es vom Bund nun doch wieder mehr Mittel für die Kinderbetreuung gibt als ursprünglich geplant. Das sei auch der „Beharrlichkeit“ des Gemeindebunds zu verdanken, so Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.

Opposition zufrieden, aber Kritik an Vorgehensweise

Die Opposition zeigte sich grundsätzlich zufrieden. SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid und SPÖ-Familiensprecherin Brigit Sandler finden es jedoch „bezeichnend“ für die Regierung, dass sie die Rücknahme der geplanten Kürzungen bei der Kinderbetreuung „jetzt als außergewöhnlichen Erfolg verkaufen möchte“.

Auch NEOS reagierte ähnlich: Die Regierung habe schlicht „ein Problem gelöst, das sie selbst geschaffen hat“, zeigte sich NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard wenig euphorisch. Die Betreuungseinrichtungen seien nicht langfristig abgesichert, wenn die Vereinbarung ausläuft, gehe das Gerangel wieder von vorne los. Grundsätzlich erfreut, aber ebenfalls nicht euphorisch reagierte die Liste Pilz auf die „Erhaltung des Status quo“ bei der Kinderbetreuung. Hierbei könne man nicht gerade von einer Erfolgsmeldung sprechen, so Parteichefin Maria Stern in einer Pressekonferenz.

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