WIFO-Chef Badelt zum Familienbonus: „Nicht ideal“

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Christoph Badelt, sieht im von der Regierung auf Schiene gebrachten „Familienbonus“ ein „politisches Bekenntnis, nicht die Situation für Menschen, die besonders bedürftig sind, zu verbessern, sondern Leistungsträger zu entlasten“.

Man müsse zwischen rein politischen Werturteilen und ökonomischer Analyse unterscheiden, so Badelt. „Die Regierung findet halt, wir brauchen eine neue Politik, wo Menschen, die sehr viel leisten, entlastet werden sollen. Und es ist ganz logisch, dass von einer Steuer nur jemand entlastet werden kann, der sie auch zahlt.“ Wenn man hingegen vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen und Kindern unterstützen wolle, müsse man entweder direkte Leistungen wie die Familienbeihilfe erhöhen oder mit Sachleistungen helfen, also vor allem das Angebot der Kinderbetreuungseinrichtungen ausbauen. „Das will aber die Regierung mit dieser Maßnahme nicht“, sagte Badelt.

„Anstieg der Teilzeitarbeit“

Dass die Steuerentlastung durch den „Familienbonus“ dazu führen könnte, dass vor allem bei großen Einkommensunterschieden Frauen länger zu Hause oder in Teilzeitbeschäftigung bleiben, sei ein möglicher Effekt und „unter dem Gleichstellungsgesichtspunkt nicht ideal“, so Badelt. Er gehe auch von einem Anstieg der Teilzeitarbeit aus, aber einen kausalen Zusammenhang mit dem „Familienbonus“ herzustellen, „scheint mir übertrieben“.

Generell sollte man mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen aufhören, forderte der Wirtschaftsforscher. „Die Regierung wird daran zu messen sein, was sie wirklich tut.“

Langzeitarbeitslose als gravierendes Problem

Ein gravierendes Problem ist für Badelt die hohe Zahl vor allem der älteren Langzeitarbeitslosen, die permanent zunehme. Eine wichtige Antwort darauf sei Qualifikation, auch wenn diese bei älteren Arbeitslosen nicht so gut greife wie bei jüngeren. Dennoch sei es einen Versuch wert, diese Menschen in Beschäftigung zu halten. Die „Aktion 20.000“, die von der Regierung ausgesetzt wurde, habe zwar auch viele Nachteile gehabt - aber „Sie werden nie eine Aktion haben, die keine Nachteile hat“.

Trotz der Hochkonjunktur und des starken Beschäftigungswachstums sei die Arbeitslosigkeit viel zu hoch, um gesellschaftlich akzeptabel zu sein. Maßnahmen dagegen wären die Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz, Requalifizierung und Bildung im breitesten Sinn. Notwendig wäre auch ein Umbau der Lohnkurve, aber das könne man „nicht auf Knopfdruck“ per Gesetz ändern, weil davon auch die Kollektivverträge betroffen wären.

Vorzeitiges Aus für Beschäftigungsbonus

Der Beschäftigungsbonus für Unternehmen, der per Ende Jänner eingestellt wird, war nach Ansicht des WIFO-Chefs erst beschlossen worden, „als der Zeitpunkt nicht mehr gut war“. Die Frage sei, ob man sich die damit verbundenen Verwaltungs- und Transaktionskosten nicht besser sparen und dafür die Lohnnebenkosten kürzen sollte. Das sei ja auch der Plan der Regierung.

Der Beschäftigungsbonus läuft vorzeitig mit 31. Jänner 2018 aus. Das Förderprogramm war 2017 von der rot-schwarzen Vorgängerregierung beschlossen worden. Badelt war von der Regierung im Ministerratsbeschluss am Neujahreswochenende als einer jener Experten genannt worden, die es für sinnvoll hielten, den Beschäftigungsbonus vorzeitig zu beenden.

Mögliche Falle bei erhöhtem Arbeitslosengeld

Den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen wirkt sich nach Ansicht des Wirtschaftsforschers nicht stark auf die Bereitschaft aus, Arbeit anzunehmen, sondern könnte eher dazu führen, dass sich Menschen gar nicht erst arbeitslos melden. Man habe aber festgestellt, dass eine bessere Betreuung von Arbeitslosen sehr starke positive Wirkung auf die Aufnahme von Arbeit habe.

Das Arbeitslosengeld am Anfang zu erhöhen könnte dazu führen, dass in saisonabhängigen Branchen der Anteil der Arbeitslosen mit Wiedereinstellungszusage noch zunehmen könnte. Damit werde ein betriebswirtschaftliches Problem an die Arbeitslosenversicherung delegiert, „ich weiß nicht, ob das mitbedacht ist“.

Nulldefizitprognose hält

Das WIFO geht in seiner Mittelfristprognose davon aus, dass der Staatshaushalt schon 2019 „in die Nähe eines Nulldefizits“ kommen und ab 2020 Überschüsse erzielen könnte - nämlich auch dann, wenn die Regierung gar keine Maßnahmen setze. Diese Prognose halte auch jetzt noch, weil man alle bereits beschlossenen Maßnahmen eingerechnet habe, etwa die Pflegeregressabschaffung und den Familienbonus.

Ob bei der Steuerreform das angepeilte Entlastungsvolumen von 14 Mrd. Euro realistisch ist, sei auch eine Frage des Zeithorizonts, so Badelt. Notwendig sei aber eine grundlegende Abgabenreform. So wäre eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge bei niedrigen Einkommen eine sinnvolle Möglichkeit, um Arbeit zu entlasten. Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge bei niedrigen Einkommen nur langsam steigen zu lassen sei eine alte Forderung des WIFO.

Schieder: Auf Badelt hören

Die schwarz-blaue Regierung wäre gut beraten, würde sie auf Badelt hören, sagte der geschäftsführende Klubobmann der SPÖ, Andreas Schieder am Sonntag. In der Pressestunde habe der WIFO-Chef skizziert, welche Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit wirken: „Druck, Schikane und Enteignung sind es nicht - ganz im Gegenteil, sie entfernen die Leute nur immer weiter von einem Arbeitsplatz“, so Schieder.

Schieder teilt nach eigenen Angaben auch Badelts Einschätzung, dass der „Familienbonus“ alte Rollenbilder in der Familie befördere. „Der Mann geht arbeiten und verdient voll, dafür bekommt er den Kinderbonus. Für das kleinere Einkommen der Frau geht sich keine Entlastung aus“, kritisiert Schieder.

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