Kern: Österreich braucht "Plan A"

„2017 ein gutes Jahr“ für Reformen

Aus der Sicht von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist sein letzten Mittwoch medienwirksam präsentierter „Plan A“ offenbar alternativlos: „Österreich braucht das“, betonte er gleich mehrmals am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. „Wir sollten uns nicht zu viel Zeit lassen mit der Umsetzung“, so Kern. Sein Plan sei „ein realistischer Weg aus den Blockaden“.

Es war Kerns erster Auftritt überhaupt in einer „Pressestunde“. Statt Liveinterviews setzt er wie kein Kanzler zuvor auf die Verbreitung seiner Botschaften auf selbst gesteuerten Kanälen. Dass er unangenehme Fragen scheue, wies er freilich zurück: Er habe schon „sehr, sehr viele Pressekonferenzen, sehr, sehr viele Interviews gegeben“. Auch räumte er ein, dass inszenierte Events wie seine Rede in Wels nicht alles seien: Das könne man nur „einmal machen“.

Bisher zu wenig „in Veränderung gedacht“?

Trotz eingestandener „Zuspitzungen“ bei seinem Konzept („nie mehr hack’nstad“) insistierte Kern, dass dieses seriös, durchdacht und durchgerechnet sei. Es brauche „große Projekte“. Für ihn zeigt gerade auch die Kritik aus dem linken Flügel der SPÖ an seinen Ideen, dass diese „kein Programm für links und kein Programm für rechts“ seien, sondern „in der Balance“.

„Die Rezepte der Vergangenheit reichen nicht für eine Zukunft“, sagte Kern auch unter Bezugnahme auf seine Entschuldigung bei der Wählerschaft zu Beginn seiner Rede in Wels („Nicht ihr habt euren Weg verlassen, wir haben unseren Weg verlassen“). In der Vergangenheit wurde nach Kerns Befinden auch in der SPÖ zu wenig „in Veränderung gedacht“, etwa bei der Besteuerung der Wirtschaft, aber auch beim Thema Zuwanderung.

Kern sieht sich nicht als Populisten

Dezidiert stellte sich Kern hinter die Forderung der „Begrenzung von Zuwanderung“. Darin sieht er keinen Populismus. Eben deshalb nenne er auch „keine Zahlen“, so der Kanzler in Anspielung auf die jüngste ÖVP-Forderung nach einer Halbierung der Obergrenze bzw. des Richtwerts von Asylfällen. Zahlenmäßige Grenzen für das Asylrecht, zu dem sich alle Länder der Menschenrechtskonvention bekennen, sind für Rechtsexperten klar verfassungswidrig.

Für undurchführbar halten Experten allerdings auch Kerns Plan von weniger Zuwanderung aus EU-Ländern nach Europa. „Das werden wir auf europäischer Ebene versuchen durchzusetzen“, erklärte Kern trotz des Widerspruchs zum EU-Grundprinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Er rechnet offenbar mit neuer Kompromissbereitschaft in der EU-Kommission, habe doch dieses Thema zum „Brexit“-Votum der britischen Bevölkerung geführt.

„Schreiende Ungerechtigkeit“

Wie sich das Aussperren von EU-Billigarbeitskräften aus Österreich rechtlich machen lassen soll, verriet Kern nicht. Auf die Frage „Wie soll sich das ausgehen?“ antwortete er mit der Aussage, dass Lohndumping durch Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland für Österreich ebenso wie für die ausgebeuteten ausländischen Beschäftigten „eine derartig schreiende Ungerechtigkeit“ sei. Er will auf politischen Druck setzen.

Druck will Kern offenbar auch nach innen aufbauen. Zu den vielen arbeitsrechtlichen Themen seines Plans - Lohngerechtigkeit, Geschlechterdiskriminierung, Mindestlohn und Arbeitszeitflexibilisierung - zeigte er sich klar unzufrieden mit dem, was die Sozialpartner bisher in diesem Themenfeld erreichten. Seine „Geduld“ mit deren Versuchen zur Erarbeitung von Lösungsmodellen gehe zu Ende, so der Kanzler.

Ultimatum an Sozialpartner

Beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung etwa hätten sich die Sozialpartner in der Debatte „festgefressen“, die auf ein „Pingpong-Spiel“ ohne Resultate hinauslaufe. 2017 sei „ein gutes Jahr“, um für Lohngerechtigkeit zu sorgen, stellte Kern ihnen ein konkretes Ultimatum; eben auch durch gesetzliche Regelungen, sollten sich die Sozialpartner innerhalb des Jahres nicht selbst auf eine Lösung einigen.

Hoffen auf neues Wahlrecht schon bei nächster Wahl

Spielraum zeigte der Kanzler, was die von ihm angestrebte Wahlrechtsreform in Richtung Mehrheitswahlrecht angeht. Sein Modell, den Regierenden einen Bonus zu geben, indem auch die Minister im Nationalrat stimmberechtigt wären, sei nur ein möglicher Vorschlag. Auch die Idee des Juristen Klaus Poier, der der stärksten Fraktion 50 Prozent plus ein Mandat geben würde, erscheint ihm interessant, wiewohl ebenfalls nicht ohne Tücken.

Kern kann sich vorstellen, dass in dieser Debatte auch Alt-Bundespräsident Heinz Fischer „einen hervorragenden Beitrag leisten könnte“. Umsetzen will der Kanzler die Wahlrechtsreform jedenfalls bereits bis zur nächsten Nationalratswahl, die nach seiner Vorstellung wie geplant erst im Herbst 2018 stattfinden soll. Bis dahin habe man ja einen Vertrag mit der ÖVP. Und zumindest zu Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner ist Kerns Verhältnis nach eigenen Worten „exzellent“.

Grüne fordern „Taten statt Worte“

In ersten Reaktionen begrüßte die Industriellenvereinigung zwar die „Dynamik“, die Kern zeige, forderte aber konkrete Resultate ein. Die FPÖ sprach sich strikt gegen die Änderung des Wahlrechts aus, das nach Meinung der Partei nur dem Machterhalt der SPÖ dienen solle. Die Grünen vermissten in Kerns Aussagen konkrete Antworten etwa beim Thema Mindestlohn und erklärten, man erwarte 2017 „Taten statt Worte“.

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