„Zusammen kämpfen wir das durch!“

FSG-younion-Vorsitzender Christian Meidlinger im Interview über mehr Personal, die 4-Tage-Woche, echte Freizeit, Verbesserungen für Kulturschaffende und das Bundessportgesetz.

 

Welche Schwerpunkte setzt die FSG im Wahlkampf?

Das ist von Dienststelle zu Dienststelle unterschiedlich, weil wir dafür da sind, die ganz konkreten Probleme unserer Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu lösen. Aber wir haben auch übergreifende Themen. Zum Beispiel unsere Forderungen nach mehr Personal, flexibleren Arbeitszeiten, die Gesundheitsförderung und die Anpassungen an die Digitalisierung.

Wie viel Personal wird zusätzlich benötigt?

Die Stadt steht vor gewaltigen Herausforderungen. Wien wird weiter wachsen, zusätzlich werden in den nächsten acht, neun Jahren rund 40 Prozent der KollegInnen in den Ruhestand oder in Pension gehen. Da braucht es rasche Nachbesetzungen. Und zwar so, dass das Wissen der Älteren nicht verloren geht, zum Beispiel mit gleitenden Pensionierungsmodellen. Es darf mit der Personalsuche nicht erst gewartet werden, bis jemand weg ist. Das muss sich überschneiden, sonst kommen die jungen KollegInnen völlig unter die Räder und die älteren brennen bis zur Pensionierung völlig aus.

Ist der Stadt das Problem des Wissensverlusts bewusst?

Das Bewusstsein ist da, beziehungsweise bereits geweckt. Bei einigen müssen wir aber noch Überzeugungsarbeit leisten. Es muss aber allen klar sein, dass das zusätzliches Geld kostet. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Auch an die rechtzeitige Ausbildung von neuen KollegInnen muss heute schon gedacht werden.

Durch den Personalmangel wird der Druck aufs bestehende Personal steigen …

Dabei ist der Druck schon jetzt enorm. Zum Beispiel dadurch, dass KollegInnen ständig erreichbar sind. Da müssen endlich Regelungen gefunden werden. Viele Firmen und Konzerne lassen zum Schutz ihrer Beschäftigten ab einer gewissen Uhrzeit keine Mails mehr durch. Das muss auch in der Gemeinde Wien möglich sein.

Wo lauern weitere Gefahren durch die Digitalisierung?

Es sind zum Beispiel die Erwartungshaltungen, die die Politik in der Bevölkerung schürt. Es ist natürlich schön, wenn die BürgerInnen etwas digital einreichen können und so das Gefühl haben, dass es schneller geht. Aber wenn im Hintergrund die Prozesse nicht verändert werden, die Gesetze gleich bleiben, dann kommt der Bescheid auch nicht schneller. Da muss nachgebessert werden.

Wie können KollegInnen entlastet werden?

Unsere große Forderung ist die 4-Tage-Woche. Und zwar mit Rechtsanspruch. Wer will, soll drei Tage in der Woche frei haben. Es gibt bereits Unternehmen, die das Modell mit großem Erfolg eingeführt haben. Die Beschäftigten berichten von einer besseren Lebensqualität. Heute ist Geld nicht mehr das entscheidende Kriterium bei der Wahl des Arbeitsplatzes.

Hat die 4-Tage-Woche noch andere Effekte?

Die wirtschaftlichen Aussichten trüben sich wieder ein. Dabei haben wir schon jetzt 410.000 Arbeitssuchende in unserem Land. Die 4-Tage-Woche ist auch eine der Möglichkeiten, um Beschäftigung zu schaffen.

 

Ein kurzer Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre: Was war mühsam?

Da denke ich zum Beispiel an WiSTA. Da haben wir uns dann ausgeklinkt. Ich denke aber an auch den „Wien-Neu-Denken“-Prozess. Da waren plötzlich mehr als hundert Vorschläge da, die massive Kürzungen beim Personal bedeutet hätten: von der Streichung der Biennalsprünge angefangen über das Aussetzen der jährlichen Gehaltserhöhungen bis zur Abschaffung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Wir haben das nur wegverhandeln können, weil das FSG-Team sehr stark zusammengehalten hat.

Was war gut in den vergangenen fünf Jahren?

Es waren sehr erfolgreiche Jahre. In den Dienststellen konnten Tausende von Verbesserungen bewirkt werden. Im Großen konnten zum Beispiel die jährlichen Gehaltsverhandlungen immer über der Inflationsrate abschließen. Wobei wir da auf die niedrigen Einkommen besonders geschaut haben. Auch das neue MitarbeiterInnen-Gesetz konnten wir durchsetzen. In vielen Bereichen konnten Verbesserungen im Zulagensystem erreicht werden, einige Schemata und Kollektivverträge wurden komplett neu gestaltet und führten zu deutlichen Einkommensverbesserungen. Auch die Gesundheitsförderung wurde ausgebaut.

Diese Besoldungsreform hat aber auch zu scheinbaren Ungerechtigkeiten geführt …

Es war immer klar, dass es bei einer so großen Reform Nachbesserungen im alten System geben muss. Deshalb haben wir auch eine zweijährige Evaluierung vereinbart. Einige Adaptierungen wurden bereits vorgenommen.

Um es einmal zu verdeutlichen: Die gesamten Verbesserungen im Altsystem haben allein den KollegInnen im KAV 100 Millionen Euro mehr gebracht. Was aber dort noch fehlt, sind Anpassungen in einigen Spezialbereichen im Altsystem. Dazu gibt es laufende Verhandlungen.

Die Wiener Gemeindebediensteten sind auch harten Attacken ausgesetzt. Vermuten Sie eine Taktik dahinter?

Das ist mit Sicherheit so. Wir haben in kürzester Zeit Angriffe auf das Personal, das Dienstrecht, die Pensionsregelungen und unsere Krankenfürsorgeanstalt erlebt. Das ist sehr bewusst gesetzt. Hier wird versucht zu verunsichern und zu spalten. Die Wiener Gemeindebediensteten und die Wiener Kulturschaffenden lassen sich aber ganz sicher nicht auseinanderdividieren.

Apropos Kulturschaffende: Bei vielen schaut die finanzielle Lage nicht gut aus …

Das macht uns große Sorgen – und wir kämpfen massiv dagegen an. Wir fordern vehement Änderungen in der Sozialversicherung. Es muss darauf Rücksicht genommen werden, dass Kulturschaffende einmal angestellt sind, dann wieder selbstständig oder auch einmal selbst Firmenchef. Sie müssen einen klar geregelten Weg zu Arbeitslosengeld erhalten.

Wir arbeiten auch daran, dass Kulturbetriebe und Projekte nur dann Subventionen bekommen, wenn das Personal fair entlohnt wird. Es ist für eine Kulturstadt wie Wien ein untragbarer Zustand, dass KünstlerInnen in Armut leben müssen.

Die Bundesregierung bastelt an einem neuen ORF-Gesetz und überlegt auch, ORF 1 zu privatisieren. Ein guter Plan?

Einsparungen im ORF sind in den vergangenen Jahren zulasten des Personals gegangen. Es gibt weniger Köpfe in der Technik, und bei den jährlichen Gehaltserhöhungen wurde oft nicht einmal die Inflationsrate erreicht. Hier noch mehr einsparen beziehungsweise privatisieren zu wollen, ist abenteuerlich.

Aber es ist klar, was mit einer Zerschlagung des ORF erreicht werden will: Die objektive und daher kritische Berichterstattung über die Bundesregierung soll abgewürgt werden. Das kennen wir aus zahlreichen Beispielen aus dem Ausland.

Die Bundesregierung hat in den Medien auch immer wieder betont, dass sie mit den Sozialpartnern verhandelt. Wie laufen die Gespräche?

Die gibt es gar nicht, das ist gelogen. Es wird nur immer erzählt, dass alle eingebunden wurden, tatsächlich ist das aber nicht der Fall. Ich denk da zum Beispiel an die Karfreitagslösung. Auch hier hat die Bundesregierung kein einziges vernünftiges Gespräch mit den Sozialpartnern geführt. Aber dementsprechend schlecht ist die Lösung auch.

Auf betrieblicher Ebene funktioniert die Sozialpartnerschaft aber gut. Wir begegnen uns auf Augenhöhe und es zählen die Fakten.

Konnte deshalb auch bei den SportlerInnen einiges erreicht werden?

Ja. Wir sind zum Beispiel sehr froh, dass wir die Bundesliga-Reform für unsere Fußballer im Kollektivvertrag gut abbilden konnten. Das heißt aber nicht Stillstand für uns. Wir brauchen im gesamten Sport Verbesserungen, deshalb fordern wir auch ein Bundessportgesetz. Damit sollen SportlerInnen abgesichert werden, falls ihnen etwas passiert. Da hat es in der Vergangenheit einige tragische Fälle gegeben. Auch da darf sich die Bundesregierung nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Aber das ist es, was uns unterscheidet: Wir sind für die Menschen da – und nicht für den Profit.