Regierung: Betonte Einheit nach Gesprächsmarathon

„Sehr intensives Programm“

Kein SPÖ- oder ÖVP-Programm, sondern ein „gemeinsames Regierungsprogramm“ - so hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Montag den neuen Pakt bezeichnet, den die SPÖ in tagelangen Verhandlungen mit Koalitionspartner ÖVP geschlossen hat. Bei der Pressekonferenz mit seinem Vize Reinhold Mitterlehner waren beide um Einigkeit betont.

In den vergangenen fünf Tagen habe man ein „sehr intensives Programm absolviert“, so Kern. Ziel sei es gewesen, ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die österreichische Regierung bis Herbst 2018, bis zum regulären Wahltermin, zu formulieren.

Keine „Spiegelministerien“ mehr

Die Zusammenarbeit in der Regierung soll auf neue Beine gestellt werden. Damit sollen die von jeweils einem Koalitionspartner besetzten „Spiegelministerien“ der Vergangenheit angehören, so Kern und Mitterlehner beim Sonderministerrat. Laut Mitterlehner habe das „Prinzip der Spiegelung“, bei dem sich bei der Erarbeitung von Gesetzen zwei politisch unterschiedlich besetzte Ministerien gegenübergestanden sind, die Arbeit oft behindert.

„Das wollen wir anders steuern“, stellte der Vizekanzler eine neue Form der Koordination in Aussicht, womit die Regierung künftig „schneller und klarer“ arbeiten könne. Wie das konkret aussehen wird, verriet die Regierungsspitze aber noch nicht.

Knapper Zeitplan, viele Diskussionen

Es habe intensive Diskussionen gegeben, die sei auch notwendig gewesen, so der Kanzler. Es sollte nicht nur ein inhaltliches Programm vorgelegt werden, die gemeinsamen Projekte sollten vielmehr auch mit konkreten Zeitplänen und Umsetzungsperspektiven versehen werden, betonte Kern weiter. Ziel sei es auch gewesen, politische Maßnahmen vorzuschlagen, die auch tatsächlich finanzierbar sind - ohne höhere Staatsverschuldung oder neue Schulden. Die Frage nach der konkreten Finanzierung ließ er aber offen.

Aus den vergangenen Monaten habe man die Erkenntnis gezogen, dass es notwendig ist, „klar Schiff zu machen“, eine gemeinsame Linie vorzugeben und dafür zu sorgen, dass das Regierungsteam diese dann auch abarbeitet. Der Zeitplan für die Programmerstellung sei „ohne Übertreibung“ knapp gewesen. Nun habe man aber nicht nur einen neuen Bundespräsidenten, sondern auch ein „neues, adaptiertes Programm“ für die Bundesregierung, so Kern. Er dankte Mitterlehner ebenso wie den Verhandlungspartnern und geduldigen Journalisten.

Beide Handschriften im Programm

Seine Rede in Wels sei sozialdemokratisch geprägt gewesen, hier handle es sich nun aber um „kein SPÖ-Programm und kein ÖVP-Programm, sondern ein gemeinsames Regierungsprogramm“, erklärte der SPÖ-Vorsitzende. Im Programm finde man daher einmal die Handschrift der einen Seite, ein anderes Mal die Handschrift der anderen Seite: „Es ist ein gutes Programm.“ Er wollte es dann auch nicht als Kompromiss bezeichnen, sondern als Summe von Maßnahmen aus den gemeinsamen Schnittmengen. Kern bedankte sich auch bei Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und allen Verhandlungspartnern für die Zusammenarbeit.

Mittlerweile haben alle Minister das Programm unterzeichnet

Mitterlehner sprach in seinem Statement von einem „Programm, das Österreich wirklich weiterbringt“. Man sei um eine gemeinsame Schnittmenge bemüht gewesen. Er lege besonderen Wert darauf, dass sowohl Sozialpartner als auch Länder miteinbezogen worden seien. Die genauen Pläne zur Finanzierung werde Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) noch zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen.

Einig waren sich beide Politiker, nicht von einem „Neustart“ sprechen zu wollen. Kern sagte, das Wort „völlig unpassend“ zu finden, man habe schon seit Mai intensiv gearbeitet. Auch Mitterlehner meinte, das schon nicht mehr hören zu können.

Sobotka gab Widerstand auf

Davor hatte es bereits trotz anfänglicher Widerstände von den Parteigremien und den Ministern grünes Licht für den Pakt gegeben. Auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) unterschrieb das Arbeitsabkommen, obwohl er angekündigt hatte, nur den seine Funktion betreffenden Teil zu unterzeichnen. Als Grund für seine Meinungsänderung gab der Minister am Montag vor dem Sonderministerrat an, dass das Papier die „Handschrift der ÖVP trägt“.

Sowohl das SPÖ-Präsidium als auch der ÖVP-Vorstand segneten das 35 Seiten starke Papier am Montag ab. Das berichtete für die SPÖ der Wiener Landesparteichef und Bürgermeister Michael Häupl den wartenden Journalisten.

Zufriedenheit auf vielen Seiten

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) sprach von einem sehr guten Ergebnis. „Das hätte man einfacher auch haben können.“ Einen Entwurf des Integrationsgesetzes habe es seit August des Vorjahres gegeben. „Ich bin froh, dass es nach einem halben Jahr Widerstand fertig ist.“

Neben Sobotka und Kurz zeigten sich auch die übrigen Minister mit dem Arbeitsübereinkommen zufrieden - vor allem mit den Vorhaben in ihren eigenen Ressorts. Zustimmung gab es vor Beginn des Sonderministerrats am Montag auch bei den beiden Regierungskoordinatoren Thomas Drozda (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP).

Unterschriftenfrage „überbewertet“

Drozda sprach von klaren Inhalten und Zielsetzungen. Das Gute daran sei, dass jeder, der das Programm beschließe, auch dazu stehe. Auch sein Gegenüber Mahrer bekannte sich zum neuen Regierungsübereinkommen. Der Staatssekretär findet, dass die Frage der Unterschrift - Sobotka wollte ja zwischenzeitlich nicht das ganze Papier, sondern nur sein Kapitel unterschreiben - überbewertet werde.

Die unterschiedlichen Maßnahmen vor allem in ihren angestammten Bereichen lobten etwa Sozialminister Alois Stöger, Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (beide SPÖ), Familienministerin Sophie Karmasin, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, Justizminister Wolfgang Brandstetter (alle von der ÖVP nominierte Minister) sowie weitere Regierungsmitglieder. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder freute sich, dass eine Neuwahl „vom Tisch“ sei. Nun beginne die Phase des intensiven Arbeitens und der Umsetzung.

Sozialpartner zu Mitarbeit bereit

Kern hatte am Sonntag erklärt, auch von den Ländern einen Beitrag einzufordern, und darauf verwiesen, dass sich die Sozialpartner bereits zur Mitarbeit bereiterklärt hätten. Es handle sich um ein vernünftiges und pragmatisches Paket, und er könne sich nicht vorstellen, warum jemand aus der Regierung ein Problem haben sollte, das Arbeitsabkommen zu unterschreiben. Wenn doch, dann müsse man über „Konsequenzen“ reden, meinte Kern, ohne diese jedoch auszuführen. „Jeder Einzelne hat zu verstehen, dass wir ein gemeinsames Projekt haben.“

„Gutes Gespräch“ mit Präsidenten

Kern und Mitterlehner informierten noch vor den Parteigremien am Vormittag Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen über ihre Pläne. „Es war ein gutes Gespräch“, sagte Kern nach der rund einstündigen Zusammenkunft in der Hofburg. Auch Mitterlehner stimmte dem zu.

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