Kern: „Brexit“-Milliarden nicht einsparbar

Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU fallen auch jene 14 Milliarden Euro weg, die das Land zurzeit in den EU-Haushalt einzahlt. Außenminister Sebastian Kurz und die ÖVP haben bereits klargemacht, dass sie höhere EU-Zahlungen für Österreich ablehnen. Stattdessen pochen sie auf eine Verschlankung der EU-Bürokratie. Etwas anders sieht das SPÖ-Kanzler Christian Kern. Zwar sei es das Ziel, nicht mehr zu zahlen. Doch allein mit Bürokratieabbau werde es „sich nicht ausgehen“, sagte Kern gestern im Ö1-„Journal zu Gast“.

Auf Linie mit EU-Kommission

Wenn Großbritannien die EU verlässt, verliert die Union nicht nur eines der größten Mitgliedsländer. Auch jene 14 Mrd. Euro, die das Land zurzeit in den EU-Haushalt einzahlt, fallen weg. Wie die Union mit dem Budgetloch umgehen soll, wird die verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten noch länger beschäftigen. Und auch in Österreichs Regierungen gehen die Meinungen - zumindest im Detail - auseinander.

„Was passiert mit dem Geld“ bzw. mit dessen Ausbleiben? Für Kanzler Christian Kern (SPÖ) ist die Frage, wie die EU die 14 Mrd. kompensiert, eine der großen Aufgaben, welche die 27 EU-Staaten zu lösen haben. Kern ließ am Samstag im Ö1-„Journal zu Gast“ durchblicken, dass das auch mit einer Mehrbelastung für Österreich einhergehen könne.

Österreichs Ziel sei es, nicht mehr zu zahlen, so der Kanzler. Dass sich das Budgetloch allein durch einen Bürokratieabbau stopfen lässt, hält er aber für unwahrscheinlich. „Wenn wir nur acht Mrd. Verwaltungsbudget haben, dann wird es uns nicht helfen, wenn wir 13 Kommissare weniger haben. Dann wird sich das nicht ausgehen mit der fehlenden Differenz zu dem, was die Briten zahlen“, sagte Kern.

ÖVP fordert „massive Schlankheitskur“

Genau das forderte am Mittwoch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Die fehlenden Zahlungen Großbritanniens „müssen wir durch Einsparungen und Reformen der EU kompensieren. Statt die Beiträge der Nettozahler zu erhöhen, sollten Überlegungen für eine Verschlankung der EU angestellt werden“, so Kurz in einer Aussendung.

Am Samstag legte ÖVP-Generalsekretär Werner Amon noch einmal nach. Die Position Kerns sei „nicht nachvollziehbar“, hieß es in einer Aussendung. Der ÖVP-Generalsekretär wiederholte die ÖVP-Forderung nach einer „massiven Schlankheitskur“ für die EU und Einsparungen „bei Institutionen und im Sinne der Subsidiarität“.

Oettinger stimmt auf höhere Beiträge ein

Einsparungen will zwar auch die EU-Kommission nicht ausschließen. Allerdings glaubt EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger nicht daran, dass das reichen werde. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir versuchen, einen Teil einzusparen, und sich die übrigen 27 Mitgliedsstaaten darauf einigen, wie sie den restlichen offenen Betrag erbringen sollen“, sagte Oettinger dem „Spiegel“ mit Blick auf die Verhandlungen über den künftigen Finanzrahmen der EU. Nach Ansicht Oettingers könnte rund die Hälfte des britischen Beitrags eingespart werden.

Vielen bürgerlichen Abgeordneten im EU-Parlament ist das aber zu wenig. Der deutsche EU-Parlamentarier Markus Ferber (CSU) forderte laut „Spiegel“, „auf eine Umverteilung komplett zu verzichten und den gesamten britischen Anteil einzusparen“. Ähnlich argumentiert auch der deutsche Finanzstaatssekretär Jens Spahn. „Es gibt keine Verpflichtung, dass die anderen Länder die entstehende Lücke automatisch ausgleichen“, so Spahn.

Kern glaubt an Verhandlung mit einer Stimme

Droht der EU im Zuge der „Brexit“-Verhandlungen also eine ernste Zerreißprobe? Kanzler Kern schätzt diese Gefahr nicht allzu groß ein. Die EU müsse geschlossen und mit einer klaren Position in den Verhandlungen auftreten. Es könne nicht sein, „dass jeder seine bilateralen Verhandlungen führt und Sonderwünsche platziert“, sagte Kern. „Wenn da jetzt eine Kakophonie entsteht und ein dissonantes Konzert, dann wäre das ganz schrecklich.“

Gerade der „Brexit“ - wie auch die Wahl Donalds Trump zum US-Präsidenten - habe den Regierungschefs in der EU aber klargemacht, „dass es nur gemeinsam gehen wird“. „Ich gehe davon aus, dass das zusammengehalten werden kann“, sagte Kern.

Arbeitsbasis für Koalition

Ähnlich zweckoptimistisch fiel Kerns Einschätzung im Hinblick auf die Arbeit seiner eigenen Regierung aus. Die Außendarstellung und der Umgang miteinander seien zwar „indiskutabel“. Doch die Arbeitsbasis für die kommenden 18 Monate sehe er dennoch gegeben. Die Ergebnisse könnten zwar besser sein, doch immerhin gebe es welche. Und solange die Koalition solche liefere, „halte ich daran fest“, sagte Kern.

Die Neuwahldiskussionen „beeindrucken mich wenig“, so der Kanzler. Er bestritt, dass er jemals einen „Neustart“ verkündet habe. Denn er habe „keine Illusionen darüber, wie diese Regierungszusammenarbeit funktioniert“. Der eine oder andere möge ein „taktisch-strategisches Interesse“ haben. Doch „da stehe ich drüber“, sagte Kern. Zugleich wies er daraufhin, dass die Regierung „nicht so ganz wenig erreicht“ habe - diese Woche etwa die Reform der Privatinsolvenz, das Investitionspaket für die Gemeinden und das Integrationsjahr.

Ähnlich klang am Samstag Vizekanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner. „Der Bürger erwartet sich in Zeiten wie diesen Problemlösung, keine Streiterei, keine Auseinandersetzung.“ Daher wolle er endlich ein „Ende des Neuwahlgeredes“, sagte Mitterlehner am Landesparteitag der ÖVP Oberösterreich in Linz.

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