SPÖ leitet rechtliche Schritte ein

Hoffen auf mehr Tempo bei Aufklärung

Die SPÖ will nun rechtliche Schritte in der Causa Silberstein unternehmen. Nach Medienrecht wird Anzeige gegen unbekannt eingebracht - also gegen die Betreiber jener Facebook-Seiten, die unter Mitwissenschaft zumindest eines SPÖ-Mitarbeiters Dirty Campaigning gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz betrieben haben.

Dazu kommt eine Sachverhaltsdarstellung wegen der Diffamierung von Kanzler Christian Kern (SPÖ) auf einer Facebook-Seite. Kurz werde eingeladen, sich dem anzuschließen, erklärte der interimistische Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter Montagnachmittag.

Facebook soll Betreibernamen nennen

Schließlich wird sich die SPÖ noch juristisch an Facebook wenden mit dem Ersuchen, die Namen der Initiatoren der Facebook-Seiten herauszugeben. Nach Rechtsansicht der SPÖ würde das E-Commerce-Gesetz dazu die Möglichkeit bieten, gehe es in dem Fall doch um Kreditschädigung.

Durch die juristischen Schritte erhoffen sich die Sozialdemokraten mehr Tempo bei der Aufklärung der Sache. Denn die SPÖ stößt als private Organisation - die nicht die Möglichkeiten von Polizei oder Staatsanwaltschaft hat - hier an ihre Grenzen.

Gage von Dritten vermutet

Als sehr unwahrscheinlich bezeichnet Matznetter, dass die Kampagne mit jenem Honorar finanziert worden sein könnte, das Tal Silberstein seitens der Sozialdemokraten erhalten hat. Der Bundesgeschäftsführer vermutet, dass die Gage von anderer Seite gekommen sein muss. Wer der unbekannte Financier ist, wisse man zumindest derzeit noch nicht.

Was die Prüfung des Vertrags mit dem umstrittenen Werber angeht, setzt die SPÖ auf jenen Wirtschaftsprüfer, der vom Rechnungshof unter seinem damaligen Präsidenten - und heutigen ÖVP-Kandidaten - Josef Moser als Abschlussprüfer ausgesucht geworden sei. Er wurde von den Sozialdemokraten für eine entsprechende Prüfung engagiert. Ob sich die Untersuchung bis zum Wahltag ausgeht, wie sich die SPÖ das erhofft, ist allerdings unsicher.

„Mitten in Tsunami aufgewacht“

„Wir sind, wenn man so will, mitten in einem Tsunami aufgewacht“, hatte Matznetter zuvor bereits im Ö1-Morgenjournal gesagt. Wie „Presse“ und „profil“ am Samstag berichtet hatten, stand Silberstein hinter zwei Facebook-Seiten. Die eine gab sich als radikale Fanseite von ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus, die andere schoss mit teils rassistischen, teils antisemitischen Postings gegen den ÖVP-Obmann. Laut dem interimistischen Geschäftsführer ist das nicht der Stil der SPÖ. „Wir wollen daher völlige Aufklärung und Transparenz herstellen“, sagte Matznetter. Er sagte, dass keinerlei Finanzierung der Facebook-Seiten vonseiten der SPÖ durchgeführt worden sei.

„Mehr als beklemmend“

Matznetter, der nach dem Rücktritt von Georg Niedermühlbichler mit Andrea Brunner die SPÖ-Bundesgeschäftsführung übernommen hatte, versicherte, alles zu tun, um erste Antworten noch vor der Wahl am 15. Oktober zu liefern. Die roten Wahlkämpfer seien in einem Argumentationsnotstand. Daher brauche es Antworten auf die Fragen. „Ich darf mich an der Stelle auch bei den vielen Menschen, denen die Demokratie ein Anliegen ist und die so was nicht wollen, entschuldigen“, sagte Matznetter.

„Die SPÖ steht 14 Tage vor der Wahl vor einer Situation, die mehr als beklemmend ist“, den Nutzen habe der politische Mitbewerb, so Matznetter. Ähnlich wie SPÖ-Obmann und Kanzler Christian Kern Sonntagabend auf ATV fand Matznetter es mehr als sonderbar, wie die Sache abgelaufen sei. Silberstein habe jemanden beauftragt, der schon einschlägig mit Dirty Campaigning für die ÖVP aufgefallen sei. Man müsse sich fragen, wem das nütze.

„Ich glaube nicht immer an Zufälle“, gerade „wenn dann auch noch ein Spitzenkandidat einer anderen Partei gestern in der Fernsehdiskussion genau wusste, wie viele Mitarbeiter hier für Silberstein tätig waren.“ Das sei nirgends gestanden. „Das macht uns schon sehr nachdenklich.“

Köstinger sieht „Opfer-Täter-Umkehr“

ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger verlangte „echte Aufklärung statt Vertuschung“ und eine Entschuldigung von Kern. Matznetter warf sie vor, „Opfer-Täter-Umkehr“ zu betreiben. „Bedauerlicherweise hat Bundeskanzler Christian Kern nicht die Größe, sich bei uns zu entschuldigen. Er sollte es aber jedenfalls bei allen Menschen tun, die getäuscht wurden, und allen, die rassistisch und antisemitisch diffamiert wurden, allen voran die Israelitische Kultusgemeinde“, so Köstinger.

Auch Kurz fordert Entschuldigung

Auch Kurz drängte am Montag auf eine Entschuldigung Kerns. „Wenn schon nicht bei mir, dann zumindest bei den Menschen, die getäuscht wurden oder durch radikale Postings verletzt wurden“, so Kurz. Nun müsse von der SPÖ geklärt werden, wer diese Machenschaften und den mittlerweile gefeuerten Berater Silberstein beauftragt habe, Dirty Campaigning zu machen. Den Vorwurf, er verfüge über Insiderwissen in der Causa, wies der ÖVP-Chef zurück: „Das wird immer absurder.“

Kern sieht sich als Opfer

„Wir haben nicht gerade einen Lauf gehabt“, hatte Kern in der TV-Diskussion den bisherigen SPÖ-Wahlkampf kommentiert. Gleichzeitig warnte er erneut vor einer möglichen schwarz-blauen Regierung nach der Wahl. Für das am Wochenende aufgedeckte Dirty Campaigning habe er überhaupt kein Verständnis, das müsse „konsequent aufgeklärt“ werden. Kern sah sich und die SPÖ aber auch als Opfer: „Wir sind die wesentlich Geschädigten.“ So sei er auf der Facebook-Seite „Die Wahrheit über Christian Kern“ verunglimpft worden, 80 Prozent der Inhalte seien gegen die SPÖ gerichtet gewesen, das sei „einigermaßen skurril“.

Kern meinte auch, die Seiten seien erst mit der Auflösung des Vertrages mit Silberstein vermehrt rassistisch und antisemitisch geworden. „Das ist nicht in unserer Küche gekocht“, sagte Kern. Er sehe auch Querverweise zu anderen Parteien. Dass die Geschichte 14 Tage vor der Wahl publik werde, „das sind schon sehr viele Zufälle“.

„Ärgert mich auch für Sebastian Kurz“

Die Vorfälle würden ihn wegen der SPÖ-Basis ärgern, die den Wahlkampf betreibe - und es „ärgert mich auch für Sebastian Kurz“. Kern kritisierte aber auch - in Anspielung auf Berichte über Korruptionsvorwürfe bezüglich Firmenbeteiligungen seiner Frau und seiner selbst - Medien, die „völligen Unsinn“ über ihn verbreiten würden. Das sei „erstunken und erlogen“, würde aber von ÖVP- und FPÖ-Accounts weiterverbreitet. „Die beiden Kollegen“ - gemeint waren ÖVP-Chef Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache - würden nun so tun, „als ob sie ihre Hände in Unschuld waschen.“

So wunderte sich Kern auch, dass Kurz in der Diskussion gesagt hatte, Silberstein habe zwölf Mitarbeiter und ein Büro gehabt. Das „Insiderwissen“ sei in keiner Zeitung gestanden. Der ÖVP-Chef gab an, das aus Gesprächen mit Journalisten erfahren zu haben. Kern verwies dagegen darauf, dass Silberstein ja einen ehemaligen ÖVP-Mitarbeiter mit der Leitung der verdeckten Facebook-Aktion betraut habe.

Kurz: „Wer hat es finanziert?“

Kurz verwies zu Beginn der Diskussion darauf, dass seine Partei immer wieder gegen die Seiten protestiert und auch bei Facebook vergeblich die Einstellung beantragt habe. Zudem habe man schon vor einem halben Jahr gesagt, dass mit Silberstein Wahlkampfmethoden importiert werden, „die wir in Österreich nicht wollen“. Vonseiten der SPÖ sei gesagt worden, Silberstein würde nur Daten analysieren.

Kurz sah eine „Grenzüberschreitung“, es sei versucht worden, die Menschen zu täuschen. Mit der Seite „Wir für Sebastian Kurz“ sei versucht worden, ihm die Schuld zu geben. Dass Niedermühlbichler mit seinem Rücktritt politische Verantwortung übernommen hat, nahm Kurz mit „Hochachtung“ zur Kenntnis. Es würden aber entscheidende Fragen bleiben: „Wer hat es beauftragt und wer hat es finanziert?“

Strache: „Das ist eine Kern-Affäre“

Strache sah einen „Tiefpunkt der politischen Kultur“. Die Facebook-Seite mit antisemitischen Postings habe man der FPÖ unterjubeln wollen. Strache sagte, er glaube überhaupt, dass auf unterschiedlichen Facebook-Seiten seit Jahren „Agents Provocateurs“ unterwegs seien. Solche Methoden hätten in der politischen Landschaft nichts verloren.

Strache sagte, er wundere sich, wieso die Facebook-Seiten nach den Enthüllungen in kürzester Zeit abgedreht wurden, wo doch die SPÖ nichts damit zu haben wolle. Natürlich trage Kern als Parteichef Verantwortung: „Das ist eine Kern-Affäre.“ Er lasse nicht zu, dass sich Kern nun als „Unschuldslamm“ präsentiere. Dass dieser von „Hetze und Hass“ im Netz nichts gewusst haben soll, „das kauft niemand dem Herrn Kern ab“. Strache schlug vor, statt einer internen „Taskforce“ Peter Pilz mit der Untersuchung zu beauftragen. Nachsatz: Der werde nach dem 15. Oktober auch Zeit haben.

Pilz: „Absolute Schande“

Pilz, der mit seiner Liste bei der Nationalratswahl antritt, sprach von einer „absoluten Schande“, holte aber gleich zum Rundumschlag aus und kritisierte die ÖVP etwa in Sachen Islamstudie. Österreich habe derzeit viele und ganz andere Probleme.

Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek sagte, sie hätte sich eine Entschuldigung von Kern erhofft. Sie wies auch darauf hin, dass Kurz eine Moderatorenfrage nicht beantwortet hatte, nämlich ob ein „Maulwurf“, den Silberstein laut einem Interview in der SPÖ vermutete und der die Aufdeckung ins Rollen gebracht hatte, aus der ÖVP gekommen sei.

NEOS-Chef Matthias Strolz wiederum sah sich in der Affäre in seiner Parteigründung bestätigt: „Wir halten das alte Politsystem nicht aus.“ Er räumte erneut ein, dass Silberstein zwar vor einiger Zeit für NEOS Wien gearbeitet habe, auf Bundesebene aber nicht.

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