SPÖ-Wien-Parteitag: Stiller Protest statt großem Aufstand

Hundert Delegierte verließen Saal

Der mit Spannung erwartete Wiener SPÖ-Parteitag am Samstag ist von einer intensiven Debatte über den internen Flüchtlingskurs dominiert worden. Der große Aufstand blieb zwar aus, Teile der Genossen sandten aber mittels Auszug aus dem Saal durchaus ein Signal an Kanzler und Parteichef Werner Faymann. Der im Vorfeld umstrittene Flüchtlingsleitantrag wurde im Anschluss einstimmig beschlossen.

Bereits vor Beginn des Treffens der knapp 1.000 Delegierten äußerte der Parteinachwuchs seinen Unmut in Richtung Faymann. Rund 30 Vertreter u.a. der Sozialistischen Jugend (SJ) hatten sich vor dem Eingang zur Halle D der Messe Wien postiert und via Taferl durchaus scharfe Botschaften an den Kanzler adressiert. „Werner du Orban“, „Werner, rechts der FPÖ ist Überholverbot“ oder „Notverordnungen waren 1933 schon out“ war auf den Taferln zu lesen.

Zu Beginn der Rede des Kanzlers verließen dann gut Hundert Genossen - großteils mit dem Sticker „#TEAM HALTUNG“ ausgestattet - den Saal bzw. stellten sich in die Nähe des Ausgangs. Faymann ließ sich von der Aktion nicht beirren und unterbrach seine Rede nicht. Tatsächlich blieb die überwiegende Mehrheit der Delegierten im Saal sitzen.

Faymann verteidigt Regierungskurs

„Wenn in unserer Partei hart diskutiert wird, dann entspricht das der Tradition unserer Sozialdemokratie“, kommentierte Faymann die innerparteilichen Debatten. Er verteidigte allerdings auch einmal mehr den Flüchtlingskurs der Regierung: „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren, wenn wir als Sozialdemokraten sagen, wir können nicht alle Menschen aufnehmen in Österreich“, betonte Faymann demonstrativ Einigkeit. „Wir brauchen dazu europäische Lösungen, Richtwerte, die aufmerksam machen darauf, dass wir nicht alleine in der Lage sind, alle Flüchtlinge aufzunehmen.“

Michael Häupl und Werner Faymann am Landesparteitag der Wiener SPÖ

APA/Herbert P. Oczeret

Bürgermeister Michael Häupl und Werner Faymann stellten die Flüchtlingspolitik ins Zentrum ihrer Reden

Landesparteichef Michael Häupl appellierte in seiner Rede für einen gemeinsamen Kurs bei der Flüchtlingspolitik. Man müsse Menschen in Not helfen, an dieser Haltung habe sich in der SPÖ nichts geändert, so Häupl. Zur Notstandsverordnung stehe er aber, bekräftigte er in seiner 50-minütigen Rede.

„Ich begrüße es durchaus, dass wir uns vorbereiten darauf, falls sich wieder Hunderttausende (Flüchtlinge, Anm.) auf den Weg nach Österreich machen“, meinte er in Richtung der umstrittenen Notstandsverordnung. „Diese Notsituation ist zur Stunde aber nicht gegeben und wir haben keine Veranlassung, so zu tun, als würden unsere Systeme zusammenbrechen“, stellte Häupl zugleich fest.

Heftige Diskussionen

Am Nachmittag wurde schließlich der Flüchtlingsleitantrag einstimmig angenommen. Die Streitigkeiten dürften damit aber nicht begraben sein, wie die stundenlange Diskussion davor zeigte. „Anstand statt Notstand“, forderte etwa Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger. Junge Vertreter formulierten es noch schärfer. „Wie weit will sich die Bundespartei noch von ihren Grundwerten distanzieren“, fragte sich etwa Saya Ahmad aus der SPÖ Alsergrund.

Ex-Landesparteisekretär und Gemeinderat Christian Deutsch wiederum geißelte den Taferlprotest des Parteinachwuchses vor Beginn des Treffens. Das zeuge von Respektlosigkeit. Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid hielt fest: „Niemand stellt den humanitären Ansatz in der Flüchtlingsthematik infrage.“

Anträge pro Höchstzahl nicht angenommen

Die Anträge einiger Wiener SPÖ-Bezirksorganisationen, die sich - entgegen der einstimmigen Leitresolution - näher an der Flüchtlingslinie der Bundespartei orientieren und sich teils klar für Höchstzahlen aussprechen, fanden am Landesparteitag keine Zustimmung. Sie wurden einer internen Kommission zugewiesen.

Die Zuweisung betraf nicht zuletzt den von Hietzing und Liesing - die Heimatbezirke von Schmid bzw. Bundeskanzler und Faymann - eingebrachten Antrag. Die Genossen folgten damit der Empfehlung der parteiinternen „Antragskommission“. Diese Anträge wurden nun in die Obhut einer „einzurichtenden internationalen Kommission der SPÖ-Wien, die sich permanent mit internationalen Entwicklungen befasst und dementsprechende politische Aktivitäten setzt“ gegeben.

980 Delegierte, 160 Anträge

Zum 71. Landesparteitag unter dem Motto „Bewegen wir Wien: Mutig. Menschlich. Miteinander“ in der Messe Wien waren 980 Delegierte geladen. Der rote Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer beehrte die Genossen am Vormittag ebenfalls und warb um Unterstützung: „Nützen wird diese acht Tage“, rief er zum Lauf um Stimmen auf und erntete Standing Ovations, als er seine Frau auf die Bühne holte.

Proteste vor Landesparteitag der Wiener SPÖ

APA/Herbert P. Oczeret

Bereits vor Beginn der Veranstaltung gab es Protestaktionen

Insgesamt standen auf dem Parteitag 160 Anträge zur Debatte, wobei die Flüchtlingsanträge nur einen kleinen Teil des Konvoluts ausmachen. Die inhaltliche Spannweite reichte von Wirtschafts- und Kulturpolitik über Wohnen und Verkehr bis zu Bildung und Frauen.

Strengere Regeln bei Gemeindewohnungen

Die Wiener SPÖ will die Vergabe von Gemeindewohnungen künftig strenger regeln. Konkret soll die Weitergabe an entfernte Verwandte in Bälde nicht mehr möglich sein. Zumindest ist das nun offiziell Parteilinie, nachdem am Landesparteitag am Samstagnachmittag ein entsprechender Antrag der Sektion 8 im Alsergrund mehrheitlich angenommen wurde.

Derzeit ist es möglich, unter bestimmten Voraussetzungen das Mietrecht für eine Gemeindewohnung auch an entfernte Verwandte zu übertragen. Laut Richtlinien von Wiener Wohnen fallen darunter etwa die Großtante, der Schwager, die Schwiegereltern oder die Großnichte. Voraussetzung für die Übernahme der Wohnung ist lediglich, dass der Nachmieter grundsätzlich anspruchsberechtigt für eine Gemeindewohnung ist.

Der Vorstoß der Sektion 8, die Schaltung von Inseraten durch die öffentliche Hand in vom Presserat verurteilten Medien einzuschränken, fand indes keine Mehrheit. Die SPÖ-interne „Antragsprüfungskommission“ hatte den Delegierten ein Votum auf Zuweisung empfohlen, was die Sektion 8 schon im Vorfeld mit einem „Begräbnis“ gleichgesetzt hatte.

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