Sozialpartner lassen die Alarmglocken schrillen

Die "Nebenregierung" Sozialpartnerschaft hält – trotz des Bruches der rot-schwarzen Bundesregierung.

Darin sind sich Christoph Leitl (WKÖ), Erich Foglar (ÖGB) und Rudolf Kaske (AK) einig.

ÖGB-Präsident Erich Foglar (l.) und AK-Präsident Rudolf Kaske
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Kammer-Präsident Leitl sagt zum KURIER: "Wir wollen solide Vorschläge liefern. Wir sind beim politischen Wellenschlag nicht dabei."

Klar ist gleichzeitig, dass der Druck auf die Sozialpartner massiv gestiegen ist. Sie müssen, so ist es mit der Regierung vereinbart, bis Ende Juni eine Lösung beim Mindestlohn von 1500 Euro und bei der flexibleren Arbeitszeit liefern.Schwieriger wird es nicht zuletzt deshalb, weil Kanzler Christian Kern (SPÖ) im Parlament auf das freie Spiel der Kräfte und neue Mehrheiten setzt und einen gesetzlichen Mindestlohn von 1500 Euro in Aussicht gestellt hat.

Künftig wie es beliebt

Da schrillen bei den Sozialpartnern die Alarmglocken. AK-Präsident Kaske sagt zum KURIER: "Die Lohnfindung muss bei den Sozialpartnern bleiben. Denn ein gesetzlicher Mindestlohn bedeutet ja, dass eine künftige Regierung tun kann, was sie will: Den Mindestlohn zehn Jahre nicht erhöhen oder auch wieder senken, wie es ihr grad beliebt."

Auch er wolle den Mindestlohn von 1500 Euro "als Etappe zu einem Mindestlohn von 1700 Euro" rasch erreichen, so Kaske. "Aber die Gewerkschaft ist hier mit den jeweiligen Branchenvertretern gut unterwegs."

Auch ÖGB-Chef Erich Foglar will sich die Lohnpolitik keinesfalls wegnehmen lassen: "Der Grundsatz bleibt, Löhne sollten kollektivvertraglich festgelegt werden. Das freie Spiel der Kräfte mag ja manchen Vorteil haben, birgt aber auch unwägbare Risiken in sich, wenn sich die Kräfte je nach Thema frei bilden."

Gemeint ist: Aus Gewerkschaftssicht wäre es etwa fatal, zwar für 300.000 Arbeitnehmer einen höheren Mindestlohn zu bekommen, aber im Gegenzug für mehr als drei Millionen Arbeitnehmer eine teure Arbeitszeitflexibilisierung (also ohne Überstundenzuschläge) in Kauf nehmen zu müssen. Das wäre der eigenen Klientel nicht zu verkaufen.Foglar ist aber guter Dinge, bis Ende Juni eine Lösung in Form einer Generalvereinbarung für alle Branchen zu schaffen (siehe rechts). Ein nicht unwesentlicher Punkt dabei, bei dem der Gesetzgeber tatsächlich helfen könnte, wäre eine Vereinfachung beim sogenannten Satzungsverfahren, sagt der ÖGB-Boss. Dies ermöglicht kollektivvertragliche Mindestlöhne in Branchen anzuwenden, wo es noch gar keine Kollektivverträge gibt.

Insgesamt hält es Foglar in Zeiten politischer Turbulenzen aber wie Leitl: "Wir wollen geordnete Verhältnisse und der Stabilitätsanker sein, den einige entsorgen wollen. Die Angriffe aus IV, von den Neos und Teilen der FPÖ sprechen Bände."

Leitl hält eine Lösung der Mindestlohn- und Arbeitszeitfrage bis 30. Juni ebenfalls für möglich. "Die Regierung schafft die Mehrfachbestrafungen im Wirtschafts-Verwaltungsrecht ab und bringt die Bildungsreform durch. Wir lösen Mindestlohn und Arbeitszeit. So ist das vereinbart. Keiner grast auf dem Feld des anderen."

Kern lädt Kurz zu sich

Ob der Deal hält, könnte sich am kommenden Dienstag zeigen. Da lädt Kanzler Kern zu einem All-Parteien-Gespräch. Thema sollen ausstehende Zweidrittelmaterien sein. Konkret will Kern die Bildungsreform, die Änderungen im Wirtschaftsrecht sowie die Gewerbeordnung besprechen. Geladen sind die Klubobleute der sechs Parlamentsparteien, dazu noch der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz.

Auch die Reform der Gewerbeordnung tangiert die Sozialpartner. Kern will – notfalls gegen die ÖVP – einen Schein für alle 440 freien Gewerbe durchsetzen. Ein Anschlag auf die Wirtschaftskammer. Der Gegenschlag könnte später in Form eines Angriffes auf die AK kommen. Das gilt es aus Sicht der Präsidenten zu verhindern.

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